Die Leute sagen, sie wollen Liebe. Aber die Liebe ist stark und mächtig. So sehr wollen die meisten es dann doch nicht, dieses Sterben im anderen, dieses von Grund auf Verwandeltwerden, diesen tiefen Hall aus dem All.

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Vor dreißig Jahren um diese Zeit

16.10.2019, 14:54 Uhr

Vor dreißig Jahren um diese Zeit ... - Es wird gerade wieder viel geredet über diese Erinnerungen, die man gesellschaftlich-allgemein, persönlich oder sehr persönlich betrachten kann, wie es beliebt. Vor dreißig Jahren um diese Zeit, es war Herbst, so wie heute, zerbrach mein Leben, wie es bis dahin gewesen war; ein neues war noch nicht in Sicht. Ich war achtundzwanzig Jahre alt, jung genug für eine echte Revolution, nicht mehr jung genug für Experimente. Immerhin hatte ich schon zwei Kinder, damals sechs und vier; und allein schon ihretwegen hätte ich nicht "rüber gemacht". Was sollte ich denn auch in einem fremden Land, von dem ich nicht sehr viel Gutes gehört hatte bis dahin; in dem ich niemanden kannte, zu dem ich hin gewollt hätte. Ist das alles wirklich schon dreißig Jahre her?

Seitdem definiere ich Heimat anders. Seitdem halte ich alles für möglich. Seitdem kann mich nicht mehr so vieles erschüttern - ach, schön wäre es! Ich glaube, da überschätze ich mich und mein schwaches Gerüst. Aber egal. Meine Liebesgeschichte begann damals, in diesem Herbst vor dreißig Jahren. Händchenhalten, verbotenerweise, mit einem Glas Schnapskirschen dabei, und an der Berliner Erlöserkirche den Gedächtnisprotokollen aus Stasiknästen lauschen. Dabei sein. Mit beten. Mit fühlen. Und immer nur diese erwachende Liebe im Sinn. Mit allem Sehnen, das dazu gehört. Und nie hätte ich geglaubt, dass sie halten würde, diese Liebe; dass sie dreißig Jahre später erst richtig blüht und in mir Fragen aufwirft, an die ich als junge Frau nicht gedacht hatte. Muss man sich wirklich für immer trennen, am Ende; oder gibt es einen Weg darüber hinaus? Solche Sachen. Einfach nur, weil es so schön ist. Noch inniger als damals, und ohne Schnaps heute. Vor dreißig Jahren um diese Zeit ...

Da habe ich in einem Brief an Freunde geschrieben, dass ich "jetzt andauernd am Mikrofon sitze, weil Leute krank werden wie verrückt oder nicht mehr live auf den Sender wollen in der jetzigen politischen Lage". Und weiter, dass wir mit unseren Zwergen in Schönefeld Flugzeuge gucken waren, und der Airbus war da, und unser Sohn, Jungpionier seit drei Tagen, wollte unbedingt sein Pionierhemd mit Halstuch anlegen; schließlich sei Sonntag, also Feiertag. Und wir beschlossen, ihn gewähren zu lassen, wir wollten einfach keine Kinder mit Doppelbewusstsein erziehen. Weder mein Ehemann noch ich wussten, wer am nächsten Tag noch zur Arbeit erschien oder schon auf dem Weg nach Hof und Helmstedt war oder wohin auch immer. Mit den anderen hielten wir einfach durch, versuchten, unseren Alltag zu bewältigen, so gut es ging - und vielleicht an den dritten Weg zu glauben, von dem keiner wusste, wie der aussehen könnte. Wir hätten halt noch Zeit gebraucht. Aber so viel Zeit war nicht.

Ich stand wie auf einem riesigen Haufen Sand, und unter mir rieselte es dahin; so war mein Lebensgefühl in diesen Tagen. Bemerkenswert genug, dass man so vieles verlieren kann und dennoch bleibt. Anders zwar, anders als früher; aber daran gestorben bin ich nicht. Wenn ich aus heutiger Sicht zurück blicke, möchte ich die, die ich damals war, in die Arme nehmen und trösten. Mädel, möchte ich sagen, du meinst jetzt, das sei deine einzige Krise, schwerste, schlimmste, so etwas Furchtbares erlebt außer dir sonst keiner. Aber wir zwei wissen nun, das stimmt nicht. Weder die einzige noch die schlimmste und schwerste weiß Gott auch nicht. Aber immer kam Hilfe, und meistens kam sie von irgend woher, wo wir sie niemals erwartet hätten. Also. Das schafft doch ein gewisses Vertrauen, nicht, oder? Könnte doch eigentlich so ein Vertrauen schaffen. Ich arbeite dran.

 

 

Lesung

07.08.2019, 12:12 Uhr

Liebe Leute, ich lese mal wieder! Und zwar im Café Behring in Berlin-Baumschulenweg (Behringstraße 6, 12437) am 10. September 2019 ab 18 Uhr. Das Thema ist "Kiezgespräche". So habe ich mich für ein paar unveröffentlichte Texte entschieden, die allesamt meinen Beobachtungen als "Stadtstreicherin" entsprungen sind. Vielleicht sind ja auch einige von dieser website dabei? Wir werden sehen. Auf jeden Fall freue ich mich darauf; und vielleicht sehen wir uns ja dann dort. Das wäre schön. 

Ich schreibe mehr, sobald mir wieder etwas auffällt (und das ist eigentlich immer, jeden Tag). Nur, jetzt muss ich meine Mittagsrunde drehen. Für den Nachmittag sind Gewitter angesagt, im Augenblick ist es noch trocken. Ihr wißt Bescheid. Katrin muss laufen!

 

 

Das Internet

14.07.2019, 11:04 Uhr

... ist eigentlich gar nicht mein Ding. Ich bin eher der Typus "zurückgezogen kreative Diva"; und das sage ich deshalb, weil ich gerade in einer Zeitschrift ein Porträt über Anais Nin gelesen habe und Parallelen zu mir entdeckte. Gottlob, es ist ja niemals deckungsgleich mit zweien wie uns, und ich weiß: ich sollte mich sowieso mit keinem anderen Menschen vergleichen. Jeder von uns ist ein Unikat. Aber hallo! 

Aber über sie wird gesagt, in jenem Artikel in jener Zeitschrift, dass auch ihr Hauptwerk im Grunde ihre Tagebücher seien, und das macht mir Mut. Leute wie ich brauchen das, immer wieder eine kleine Spritze Zuversicht aus dem Leben oder dem Universum, am besten aus beiden, denn der Weg des Künstlers ist so abseits dessen, was "man" tun oder lassen sollte in einer Ordnung, in die man nun einmal hinein geboren wurde (und dann verändert sie sich auch noch, unterwegs ...). Just, als mir solche Gedanken kommen - ich habe lange gebraucht, um mir überhaupt eine website zuzulegen, und ein Handy besitze ich immer noch nicht; wie viele Verlockungen sind mir eigentlich versperrt mangels eines smarten Phones, frage ich mich manchmal, aber es quält mich nicht, nicht wirklich ... - wie fing mein Satz gleich noch mal an? Ach ja: Just, als mir solche Gedanken kommen, empfange ich die neueste Margenabrechnung meiner zu erwerbenden Bücher, und ihr bringt mich einmal mehr zum Staunen: Das Psychotherapeutenbuch von 2007, "Mit einem Bein auf der Couch" feiert fröhliche Urständ´!! Was für ein Fest! Ich habe - zur Erinnerung für die, die das noch nicht wissen - darin die allgegenwärtigen Helfer für die menschliche Seele auf meine Couch gebeten und sie befragt, wie es ihnen eigentlich geht, in ihrem Beruf, der ihnen ja Einiges abverlangt - und der sicherlich auch jenem Wandel unterliegt, von dem ich weiter oben in meinem eigenen Falle geschrieben habe. Danke, dass dieses Werk offenbar so ein Dauerbrenner ist. Ich freue mich darüber - auch, weil mein Eindruck ist, dass irgendwie immer mehr Menschen erkennen, dass das, was im Inneren ist und nach uns ruft, nicht auf Dauer ignoriert werden darf, wenn wir gesund bleiben und unseren Weg auf Erden möglichst glücklich und zufrieden gehen wollen.  

Meine eigene Psychotherapie liegt nun fast dreißig Jahre zurück, und sie war ein erster Schritt auf einem ganz neuen Weg für mich. Ich habe diesen Weg seitdem nie wieder verlassen, und er lohnt, lohnt, LOHNT sich, absolut. Im Moment hat er mich da hin geführt, dass ich selig bin über die Chance, einem kleinen Herzchen durch puren Körperkontakt ins Leben zu verhelfen, es gibt im Moment keine wichtigere Aufgabe für mich. Geschrieben wird natürlich trotzdem jeden Morgen; für mich passt das eine mit dem anderen nahtlos zusammen, und ich habe das Gefühl, alles fügt sich organisch zueinander. Das habe nicht "ich gemacht", das habe ich eher zugelassen. 

Von Anais Nin ist das Zitat überliefert: "Und es kam der Tag, da das Risiko, in der Knospe zu verharren, schmerzhafter wurde als das Risiko zu blühen." Genau. Das kenne ich auch. Leute wie wir sind nicht so, wie wir sind, weil wir - koste es, was es wolle - rebellieren müssen, sondern, weil wir einfach gar nicht anders können. Wir haben keine andere Wahl. Ich hatte keine Wahl. Ich mußte das Risiko eingehen; andernfalls hätte ich nicht überlebt. Kleines Herzchen, lebe. Werde glücklich. Ich passe auf dich auf und bin da, wenn du mich brauchst.

Aber hallo.