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na sowas!
12.01.2023, 13:50 Uhr
Lange Zeit hier nichts geschrieben, ein ganzes Jahr nicht. Einige von euch haben mich bereits darauf hingewiesen. Mach mal was an deinem Sendungsbewusstsein. Gib jetzt bloß nicht auf. Was ist denn los mit dir? Tja. Was los ist mit mir, das hat dazu geführt, mich jedenfalls nicht zu ver-öffentlichen, außer durch meine Bücher, das ist ja klar. Manchmal erscheine ich zu Anlässen und staune selbst darüber, dass Menschen auf mich zu kommen, mit mir reden wollen, weil sie gerade eines meiner Werke lasen, das ist schön. Da freue ich mich! Sehr. Weiter so, möchte ich ausrufen. Als hätte ich es in der Hand.
Also, das Jahr 2022. Eine Dampfwalze ist über mich hinweg gerollt, und als sie fort war, bin ich nicht mehr die selbe gewesen wie zuvor. Nicht eindimensional, wie man vielleicht vermuten könnte bei dem Sprachbild; nein, ich bin keineswegs platt. Eher habe ich eine Dimension dazu gewonnen; das ist das Beste, was einem passieren kann, wenn man durch ein Walzwerk durch ist, glaube ich. Jedenfalls erwacht in mir gerade wieder die allergrößte Lust zum Schreiben; wer weiß, was daraus wohl entstehen mag ... Ihr erfahrt es als erste, ich sage hier Bescheid. Mann! Frau! Kinder!
Und nicht vergessen: Frieden beginnt innen. Keine Gelegenheit ist zu klein dafür, und in der Großstadt ergeben sich viele davon. Ein Beispiel: Neulich am Prenzl´berg. Ich träume vor mich hin beim Stadtstreichern; da rempelt mich ein Ellbogen im Vorübergehen an; er gehörte zu einer eiligen jungen Dame. "Hey, hey, hey" sage ich - und sie etwas wie "Meckertussi" über ihre Schulter. Ich rufe laut: "Und was ist mit Liebe?" Jäh hält sie inne. Dreht sich um. Ich erwarte eins auf die Fresse; da sagt sie: "Sie haben recht. Es tut mir leid."
Woher die Tränen auf meinen unversehrten Wangen? Ich weine, weil jemand freundlich zu mir ist. So verrrückt ist die Welt. Aber wir können auch anders. Siehste ja. Kiekste! (wie der Berliner so sagt)
Fortsetzung folgt.
kein Sendungsbewusstsein mehr
11.10.2021, 17:39 Uhr
Mein Sendungsbewusstsein ist weg. Wenn ich das schon schreibe! Dann ist wohl doch noch welches da, vermute ich. Auf jeden Fall bin ich noch da, und ich tue im Verborgenen auch immer noch meinen Dienst. Vielleicht lesen das eines Tages meine Enkel oder Urenkel, wer weiß. Im Moment geht es nur ums Schreiben. Und ich bin mein erster Leser; ich habe unmittelbaren Gewinn davon.
So ist das.
Ansonsten - die vielen Augenblicke, in denen ich Freude sah in anderen Gesichtern; einfach, weil wir alle noch da sind und einander wiedersehen: In der Sauna, im Kino, im griechischen Restaurant, wo auch immer; eben an solchen Orten, an denen es nicht mehr selbstverständlich ist. Noch da sein. Welch kostbarer Zustand!
Fortsetzung folgt - vielleicht. Wenn ich schweige, sucht mich am Schreibtisch. (Oder in der Sauna, im Kino, auf Kreta ... - oder bei den Enkeln.)
Riesenrad
16.01.2021, 14:42 Uhr
Jetzt bauen sie im Plänterwald das große Riesenrad ab und seine Gondeln, rot, gelb, blau, grün, stehen fein säuberlich in Reih und Glied am Boden. Entzaubert. Ernüchternd. Nur noch bunt angestrichenes Metall. Bald geht es wohl auch dem rund aufragenden Gerüst an den Kragen. Ich staune, wie schnell das funktioniert. Schrauben drehen, die doch Jahrzehnte hielten, Gestänge abmontieren; und schon ist alles in seine Einzelteile zerlegt. Vierzig Gondeln, Symbol damals für vierzig Jahre DDR. Berühmtester Kulturpark. Ja, ja.
Sie sagen, sie werden das Wahrzeichen wieder aufbauen, jenes Riesenrad, das man schon auf Bahnhöfen bei Ankunft in der Hauptstadt sehen kann. Konnte. Aber sie haben schon so viel gesagt. Mag ja sein, dass das an mir liegt, aber ein nörgelnder Fatalist in meinem System sagt: Weg ist weg. Abgebaut ist rascher als wieder aufgebaut. Dieser Teil von mir zweifelt. Immer!
Nun ist also auch meine Geschichte aus „Stadtstreicherin 1“ Historie. „Magischer Spaziergang“, heißt der Text; und in seinem Untertitel: „Saurier, Schwäne und ein stilles Riesenrad“. Bei Lesungen habe ich mein Publikum damit oft das Gruseln gelehrt, weil ich mir vorstellte – und dies auch mit düsterer Stimme zu Gehör brachte, na aber sicher doch! -, dass ganz oben in der allerhöchsten Gondel jemand vergessen worden sein könnte, seit der Rummelplatz nicht mehr betrieben wurde. Wie er jetzt wohl aussehen mag? Er oder „Es“ muss sich verändert haben, sonst könnte er nicht überdauert haben. Und ich „sah“ ein Unaussprechliches dort heraus schauen, ach! Meine Phantasie!! Und nun liegt alles offen im Licht des Wintertages. Kein Mutant, kein Gespenst. Von schaurigen Gestalten keine Spur.
Ein Zeichen der Vergänglichkeit. In meinem Alter muss man damit klarkommen, sie mehren sich, diese Zeichen. Und niemand, nichts kann ein Verlorenes wieder zurück holen; geb´s Gott, dass mir wenigstens mein Gedächtnis lang erhalten bleibt. Wobei - war es nicht Hildegard Knef, die gesagt haben soll, Glück, das ist unter anderem ein schlechtes Gedächtnis? Andererseits, ich kenne einen klugen Mann, der immer wieder betonte, "lass uns schöne Erinnerungen erschaffen". Und nun, in lockdown-Zeiten zehren wir auch davon: Von all diesen Momenten, Essengehen in Restaurants, Familienfesten unter Bäumen, Saunagängen in Hotels ... Kulturparkvergnügen, ja, auch die. Ich träume sogar davon. Die Bilder sind in mir.
Währenddessen findet mein Leben statt. Gerade komme ich von einem Spaziergang an der Spree zurück, aus der Küche duftet es nach Blumenkohl und Pellkartoffeln. Das Vergangene hat mich geformt, die Zukunft kennt kein Mensch. Wohl dem, der im Heute leben kann oder sich wenigstens darauf besinnt, dass das der Stein der Weisen ist. So denn - ich übe.